Die Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitäts-Störung ist, entgegen manchmal geäußerten gegenteiligen Meinungen, eine anerkannte Erkrankung. Sie wird in den medizinischen Diagnose-Manualen DSM-V, sowie ICD-10, unter den psychiatrischen Erkrankungen aufgelistet (genauer bei ICD-10: Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend; bei DSM-V: Neurodevelopmental Disorders, auf Deutsch: Neurologische Entwicklungsstörungen). Studien zur Häufigkeit von ADHS berichten von einer Häufigkeit zwischen 2,4% und 7% bei Kindern im Schulalter, sowie von einer Häufigkeit von 1,8% bei Kindern im Vorschulalter. Die Erkrankung kommt weltweit und kulturübergreifend vor. Somit berichtete eine Studie, welche Daten aus mehreren, bereits durchgeführten, epidemiologischen Studien zu ADHS sammelte und analysierte, über eine weltweite Häufigkeit von 5,29% für ADHS im Kindes- und Jugendalter.
Obwohl man früher die ADHS-Erkrankung, als eine Erkrankung des Kindes- und Jugendalters betrachtete, fand man heraus, dass diese bei rund zwei Drittel der Betroffenen, auch im Erwachsenenalter weiterbestehen kann und zu deutlichen Einschränkungen im Beruf und Alltag führen kann. Studien berichten über eine Häufigkeit von 2% bis 4,5% für ADHS bei Erwachsenen. Es sei jedoch zu vermerken, dass, wenn bereits in der Kindheit keine ADHS-Symptome vorlagen, im Erwachsenenalter keine Erstmanifestation von ADHS möglich ist.
Symptome von ADHS
Die Symptome der ADHS, betreffen folgende Bereiche: Aufmerksamkeitsstörungen; motorische Überaktivität (Hyperaktivität); Impulsivität. Je nach Symptomkonstellation, kann bei manchen Personen hauptsächlich die Unaufmerksamkeit, oder die Hyperaktivität/Impulsivität, im Vordergrund stehen. Zur Erstellung der Diagnose überprüft man, ob eine Mindestanzahl von Symptomen, in einem oder mehreren Bereichen vorliegen, wobei Symptome aus allen Bereichen vorhanden sein müssen. Nun folgt eine Auflistung der einzelnen Symptome, welche aus dem ADHS – Konsensus-Statement - State of the Art 2012 entnommen wurde:
Wenn man die aufgelisteten Hyperaktivitäts-Symptome mit den Impulsivitäts-Symptomen zusammenführt, erhält man zwei Symptomen-Gruppen, zu jeweils 9 Symptomen (Unaufmerksameit und Hyperaktivität / Impulsivität). Laut DSM-V, kann, bei Vorkommen von mindestens 6 Symptomen in einem der beiden Bereichen, bei gleichzeitigem Vorkommen von weniger als 6 Symptomen in dem anderem Bereich, eine ADHS- Erkrankung vorliegen.
Zusätzlich müssten zur Diagnosestellung von ADHS, laut DSM-V, noch folgende Kriterien erfüllt werden:
- Die Symptomatik trat bereits vor dem 12. Lebensjahr (in ICD-10: vor dem 6. Lebensjahr) auf.
- Die Symptomatik liegt in einem, mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessen Ausmaß, vor.
- Die Symptomatik bestand mindestens 6 Monate lang.
- Beeinträchtigungen durch diese Symptome zeigen sich in zwei oder mehr Bereichen (z.B. zu Hause, in der Schule/Arbeit, wenn mit Freunden/Verwandten zusammen).
- Die Symptome sind nicht durch andere psychische Störungen erklärbar.
Die ADHS-Symptome können sich in ihrer Intensität und Ausprägungsform, bei 17jährigen oder älteren Personen, im Vergleich zu denen in der Kindheit, unterscheiden. Deswegen führte DSM-V erstmals ein, dass bei Erwachsenen, das Vorhandensein von mindestens 5 (statt 6) Symptomen, in einem der beiden Bereiche (Unaufmerksamkeit oder Hyperaktivitäts/Impulsivität), sowie weniger als 5 Symptome aus dem jeweiligen anderem Bereich, für die Stellung einer ADHS-Diagnose im Erwachsenenalter ausreichend wären. Die Zusatzkriterien müssen jedoch, auch bei den Erwachsenen, erfüllt sein.
Hier soll auch auf die entwicklungspsychopathologische Veränderung der ADHS- Symptomatik bei Erwachsenen, hingewiesen werden. Obwohl sich die Aufmerk- samkeitsdefizit-Symptomatik auch bei den Erwachsenen ähnlich präsentiert, kommt es bei der Hyperaktivitäts-/Impulsivitätssymptomatik, zu einer Veränderung im Erwachsenen-Alter, welche das Erkennen dieser oft erschwert. So kann das, bei den Kindern bekannte Symptom der motorischen Unruhe (Hyperaktivitäts-Symptom), bei Erwachsenen, als „innere Unruhe“ vorkommen. Oder, die in der Kindheit vorkommende Schwierigkeit abzuwarten, bis man an der Reihe ist (Impulsivitäts-Symptom), drückt sich bei den Erwachsenen, in Ungeduld gegenüber der Langsamkeit anderer aus, und kann zu aggressiven Verhaltensweisen bei Situationen, welche eine Wartezeit verlangen, wie Schlangenstehen oder Stau auf der Autobahn, führen.
Diagnostik bei ADHS
Das mögliche Vorhandensein der jeweiligen Symptome wird bei den Erwachsenen, im Rahmen von klinisch diagnostischen Befragungen, gezielt erfragt, wobei zusätzlich Gespräche mit den Eltern, oder Bekannten des Betroffenen geführt werden können. Als mögliche Informationsquellen, über das Vorliegen einer ADHS-Symptomatik, sowie eine damit verbundene Beeinträchtigung des Betroffenen in der Kindheit, können Zeugnisse oder frühere Arztberichte, dienen. Im Rahmen von klinisch-psychologischen Testungen, können spezifische Aufmerksamkeitstests durchgeführt werden, aber auch mögliche psychiatrische Erkrankungen, welche die berichtete Symptomatik erklären würden, ausgeschlossen werden. Bei Kindern werden zusätzlich zum Gespräch mit den Eltern und dem betroffenen Kind, zur Erhebung einer aktuellen Problem-Anamnese, Familien-, Schwangerschafts-, Entwicklungs-, Ernährungs-, Kindergarten- und soziale Anamnese, sowie auch eine längere Verhaltens- und Spielbeobachtung, verwendet. Weitere klinische Untersuchungen (Labor, EKG, neurologischer Status etc.), werden zum Ausschluss von anderen möglichen Erkrankungen, durchgeführt.
Das europäische Klassifikationssystem ICD-10, kodiert ADHS unter dem Code F90 und erlaubt keine, wie beim amerikanischen Klassifikationssystem DSM-V, weitere Spezifizierung zu einer hauptsächlichen Aufmerksamkeitsdefizit- oder Hyperaktivitäts/Impulsivitätsstörung beim Betroffenen.
Auf jeden Fall ist bei Verdacht auf das Vorliegen einer ADHS-Störung, die fachärztliche Begutachtung beim Kinder- und Jugendpsychiater bzw. Psychiater, zu empfehlen.
Quellen:
Ableidinger K., Gößler R., Kutzelnigg A., et al. ADHS Konsensus-Statement – State of the Art 2012. clinicum Sonderausgabe, 2012.
Barkley R.A. Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS. 1. Auflage, 2012. Verlag Hans Huber, Bern, Schweiz.
D´Amelio R., Retz W., Philipsen A., Rösler M. (2009) Psychoedukation und Coaching ADHS im Erwachsenenalter. 1 Auflage 2009, Elsevier Verlag, München, Deutschland.
Krause J. und Krause K.H. (2009) ADHS im Erwachsenenalter – Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen. 3Auflage. Schattauer Verlag, Stuttgart, Deutschland.
Rösler M., Philipsen A. (2014) ADHS im Erwachsenenalter. In: Therapie psychischer Erkrankungen – State of the Art. Hrsg. Voderholzer U., Hohagen F. 9. Auflage, 2014, Elsevier Verlag, München, Deutschland.
Gösler R. (2017) Update ADHS im Kindes- und Jugendalter. Clinicum neuropy 6/17: 8-14.
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