· 

Was passiert im Organismus, wenn man Angst erlebt?

Angst ist ein normales menschliches Gefühl, welches weltweit bei Menschen jeglicher Kultur vorkommt. Obwohl Angst hauptsächlich schützend, im Sinne einer Warnmeldung vor unmittelbarer Gefahr ist, kann sie auch krankhaft werden. Dies ist der Fall, wenn die erlebte Angst in einer erhöhten Intensität und Dauer bei Situationen auftritt, für welche einem objektiven Betrachter, die erlebte Angst nicht nachvollziehbar ist. Diese krankhafte Angst führt dann zu einer mannigfaltigen Symptomatik, welche unter anderem auch eine kognitive Einschränkung (Verminderung der Konzentrationsfähigkeit) sein kann. Diese Symptomatik führt längerfristig zur deutlichen Einschränkungen der betroffenen Personen bei der Bewältigung der Alltags-Aktivitäten, wie z.B. Einkaufen, oder zur Arbeit gehen.

 

Was geschieht aber in unserem Organismus, wenn wir Angst spüren bzw. welche biologischen Mechanismen werden aktiviert?


Angst als körperliche Reaktion

Im Rahmen unserer Entwicklung als Menschen, haben wir gewisse Signale / Situationen als Gefahr identifiziert. Somit wirkt die Dunkelheit oder ein Gewitter, bzw. bestimmte Tiere (z.B. potentiell gefährliche Schlangen oder Spinnen), auf uns alarmierend. Im Rahmen unserer individuellen Entwicklung können zu diesen, im Laufe der Evolution entwickelten Angst-Signalen, weitere Objekte oder Situationen dazu kommen.

 

Somit ist zur Entstehung von Angst, als erster Schritt die Herstellung einer kognitiven Verbindung zwischen einem durch unsere fünf Sinne wahrgenommenen „Gefahr-Signals“ / „Stressors“, mit der Wahrscheinlichkeit einer möglichen potentiellen Gefahr für unseren Organismus, notwendig. Diese Bewertung unserer Wahrnehmung und bei möglichem Gefahren-Potential, Auslösung der Angst, findet in bestimmten Regionen in unserem Hirn statt.

 

Eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung von Angst, kommt dem Amygdala, einer bestimmten Hirnregion im Temporallappen-Bereich unseres Gehirns, zu. Diese Hirnregion führt nämlich eine erste Bewertung der vorhandenen sensorischen Informationen durch und analysiert diese, auf Basis von früher erlebten Situationen, auf mögliche potentielle Gefahren für den Organismus, bevor diese Informationen bei anderen Hirnarealen weiter verarbeitet werden. Bei Erkennung von einer möglichen Gefahr, löst sich eine Kaskade von physiologischen Reaktionen aus, welche hauptsächlich die Aktivierung des Sympathikus bewirkt.

 

Der Sympathikus, so wie auch der Parasympathikus, gehört zum sogenannten „autonomen Nervensystem“ unseres Organismus. Das autonome Nervensystem, auch vegetatives Nervensystem genannt, steuert eine Reihe von inneren biologischen Prozessen des Körpers, welche unbewusst verlaufen und somit der Mensch auf diese keinen willkürlichen Einfluss hat (z.B. Verdauungs-System, Herz-Kreislauf-System).

Sympathikus Aktivierung

Was passiert bei einer Sympathikus Aktivierung? Auf hormonaler Ebene bewirkt die sympathische Aktivierung des vegetativen Nervensystems die Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol, welche wiederum den gesamten Körper aktivieren.

 

Körperliche Veränderungen, im Rahmen einer Sympathikus-Aktivierung, sind unter anderem folgende (basierend auf einer Darstellung von Rufer et al., 2004):

Beschleunigung des Herzschlages.

Erweiterung der Herzkranzgefäße, sowie der Blutgefäße der arbeitenden Muskulatur bei gleichzeitiger Verengung der Blutgefäße der Haut.

Steigerung des Blutdruckes durch Beschleunigung der Herzfrequenz und Verengung der Blutgefäße der Haut.

Erweiterung der Bronchien in der Lunge.

Anspannung der allgemeinen Muskulatur.

Hemmung der Speicheldrüse, wobei es dadurch zur Mundtrockenheit kommt.

Harnverhalt.

Hemmung der Verdauungs-Funktionen.

 

Während die Hormone Adrenalin und Noradrenalin kurzfristig für die Erreichung einer maximalen Leistungsbereitschaft sind, ist Kortisol für die Sicherstellung einer längerfristigen Leistungsbereitschaft des Körpers, ohne diesen zu über-aktivieren, wie durch Adrenalin, zuständig.


Der Parasympathikus

Eine zentrale Rolle bei der Reduktion der Angstreaktion und erneute Rückführung des Organismus auf den ursprünglichen Zustand, kommt dem Parasympathikus zu. Dieser Teil des autonomen Nervensystems sorgt nämlich, gemeinsam mit der Gewöhnung an den Stressor, sowie dem chemischen Abbau der Hormone, für eine „Beruhigung“ / „Entspannung“ des Organismus. Somit ist der Parasympathikus der „Gegenspieler“ vom Sympathikus und führt, logischer weise, zu einer Reihe von körperlichen Veränderungen, welche als Ziel die Beruhigung des Organismus haben. Diese körperlichen Veränderungen umfassen, wie beim Sympathikus, mehrere innere Organe unseres Körpers.

 

Im Folgenden werden, anhand einer Auflistung von Rufer et al. (2004), einige dieser körperlichen Veränderungen erwähnt:

Verlangsamung des Herzschlages.

Verengung der Herzkranzgefäße, sowie der Blutgefäße der arbeitenden Muskulatur.

Erweiterung der Blutgefäße der Haut.

Reduzierung des Blutdruckes durch verringerte Herztätigkeit und Erweiterung der Blutgefäße der Haut.

Entspannung der allgemeinen Muskulatur.

Anregung der Verdauungsfunktionen im Magen-Darm-Bereich.

Harnentleerung.

Vermehrter Speichelfluss durch Anregung der Speicheldrüse.

 

Durch die aktive Anwendung von Entspannungsmethoden (z.B. autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson), kann man die Aktivierung des Parasympathikus unterstützen.


Zusammenfassend kann man die Entstehung von Angst, als ein Zusammenspiel von mehreren körperlichen Prozessen sehen. Diese beginnen mit der Auswertung jeglicher Sinnes-Informationen und Erkennung von möglichen Gefahr-Potentialen. Ziel der Aktivierung der körperlichen Prozesse ist, den Körper auf einen „Flucht-oder-Kampf“-Status zu bringen. Das Leben in Bedingungen, welche eine lang-anhaltende Angst auslösen, führt zu einer „Überforderung“ des vegetativen Nervensystems und somit zu einer Störung des Gleichgewichtes zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Dies kann als weiterer Folge zu einer Schwächung des Immunsystems sowie zu negativen Veränderungen des Blutdruckes bzw. der Blutfette führen.


Quellen:

Janak P.H., Tye K.M. (2015) From circuits to behaviour in the amygdala. Nature, Band 517, Nr. 7534, Seiten 284-292.

Kasper et al. (2009) Angststörungen – Medikamentöse Therapie. Konsensus Statement – State of the art 2009. CliniCum neuropsy, Sonderausgabe September 2009.

Rufer M., Alsleben H., Weiss A. (2004) Stärker als die Angst. 1. Auflage 2014, Verlag: Urban&Fischer Verlag, Elsevier GmbH, München.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0