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Echtes Johanniskraut – Ein pflanzliches Antidepressivum stellt sich vor - Teil I

Laut einer Studie der WHO, litten im Jahre 2015, 4,4% der Weltbevölkerung (322 Millionen Menschen), an einer Depression. Für Österreich wurde in derselben Studie berichtet, dass 5,1% der österreichischen Bevölkerung, im Jahre 2015, an einer Depression litten (entspricht 415.916 Menschen). Obwohl effiziente Behandlungen für die Depression bereits existieren, suchen Betroffene oft sehr spät eine medizinische Hilfe auf.

 

Die Angst von Antidepressiva, bzw. falschen Annahmen darüber (wie z.B. dass Antidepressiva abhängig machen), können zu einem späten Beginn mit einer antidepressiven Behandlung und dadurch, zur Verlängerung des Leidensdruckes, führen. Oft ist die Bereitschaft, pflanzliche Arzneimittel zu nehmen, größer. Von den zur Verfügung stehenden pflanzlichen Arzneimitteln (sogenannte Phytopharmaka), ist besonders Johanniskraut, für seine antidepressive Wirkung bekannt.

 

Wie kommt aber diese antidepresive Wirkung zustande und wie gut ist diese im Vergleich zur antidepressiven Wirkung von synthetisch erstellten Arzneien?


Echtes Johanniskraut - Hypericum perforatum

Das echte Johanniskraut, das auf Latein als „Hypericum perforatum“ bekannt ist, ist eine Pflanze, welche seit der Antike, für ihre heilende Wirkung, bekannt ist. Die deutsche Namensgebung weist auf die Blütezeit der Pflanze hin, welche nämlich um den Johannistag (24.Juni), liegt. Die Pflanze ist in Europa, Westasien und Nordafrika sehr weit verbreitet. Mittlerweile wurde die Pflanze auch in anderen Gebieten eingebürgert, wie Nordamerika, Australien, oder Ostasien.

 

Die heilende Wirkung von Johanniskraut, auf die Psyche, wurde im Mittelalter entdeckt. Paracelsus beschrieb in einem seiner Werke die Wirkung des Johanniskrauts, gegen die „dollmachenden Geister“. Systematische Untersuchungen, zur Wirkung von Johanniskraut, wurden jedoch erst in den 80er Jahren durchgeführt. Diese erfolgten somit mehrere Jahrzehnte, nach dem Beginn der Entwicklung von synthetischen Antidepressiva.

 

Johanniskraut hat mehrere Inhaltsstoffe, wobei aber für seine antidepressive Wirkung die Inhaltsstoffe Hypericin und Hyperforin, als hauptverantwortlich gesehen werden. Der genaue Wirkmechanismus bleibt jedoch bis heute unbekannt, obwohl bereits Vermutungen darüber existieren. Anfänglich versuchte man die Wirkung von Johanniskraut, anhand der Wirkung eines einzelnen Wirkstoffes, zu erklären.

 

Studien wiesen auf eine Monoaminooxidase-Hemmung, durch Hypericin. Im menschlichen Körper sind für den Abbau von Hormonen und Neurotransmittern (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin), Monoaminooxidase-Enzyme, zuständig. Somit bewirkt die Hemmung der Monoaminooxidase-Enzyme, eine Anreicherung des Körpers an Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Die enthaltene Menge an Hypericin im Johanniskraut, ist jedoch zu gering, um die antidepressive Wirkung von Johanniskraut-Extrakten ausreichend zu erklären.

 

Weitere Studien zeigten, dass Hyperforin und Adhyperforin, potente, aber nicht spezifische, Wiederaufnahmehemmer für Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, sind. Aber Johanniskraut-Extrakte, welche kein Hyperforin enthalten haben, zeigten auch eine antidepressive Wirkung.

 

Deswegen wird derzeit angenommen, dass die antidepressive Wirkung von Johanniskraut, nicht auf einem, sondern auf mehreren aktiven Wirkstoffen beruhe, welche gleichzeitig und parallel verlaufend, unterschiedliche antidepressive Wirkmechanismen in Gang setzen. 


Studien zur antidepressiven Wirkung von Johanniskraut

Die erste Studie zur Effizienz eines Johanniskraut-Extraktes, als Therapie bei depressiven Patienten, erschien im Jahre 1979. Bis Mitte der 90er Jahre, existierten 25 Studien zu diesem Thema. Mittlerweile gibt es über 50 verschiedene randomisiert-kontrollierte Studien und mehr als 15 große Beobachtungs-Studien, zur Wirkung von unterschiedlichen Johanniskrautextrakten, bei der Behandlung von depressiven Patienten.

 

Eine systematische Analyse der Studienergebnisse von 29 randomisierten, doppelblinden Studien, zur Behandlung von depressiven Patienten mit Johanniskraut-Extrakt-Präparaten, wurde von Linde et al., 2009, publiziert. Die Autoren stellten fest, dass bei der Bekämpfung der depressiven Symptomatik, die Behandlung mit einem Johanniskraut-Extrakt-Präparat wirksamer, als eine Placebo-Medikation (=Schein-Medikation, Medikation ohne echte Wirkung), war. Zusätzlich zeigte sich bei Vergleichsstudien der Wirkung von Johanniskraut-Extrakten, mit synthetisch erzeugten Antidepressiva, dass die Effizienz der getesteten Johanniskraut-Extrakte, gleichwertig zur Effizienz der getesteten Antidepressiva war, wobei eine Therapie mit Johanniskraut-Extrakten nebenwirkungsärmer ist. Weitere Analysen, welche auch neuere Studien inkludiert haben, kamen zum gleichen Ergebnis und bestätigten somit die bereits gewonnenen Erkenntnisse.

 

Es sollte aber jedoch auf die Heterogenität (Uneinheitlichkeit) der einzelnen Studienergebnisse, hingewiesen werden. Bei den Studien wurden unterschiedliche Johanniskraut-Extrakte verwendet, welche sich in ihrer Dosierung, sowie Konzentration, an bioaktiven Substanzen, unterschieden haben. Sogar bei Studien, welche dieselben Johanniskraut-Extrakt-Präparate verwendeten, wiesen diese, bei der Analyse-Methoden der Ergebnisse dieser Untersuchungen, eine Uneinheitlichkeit auf.

 

Es hat sich gezeigt, dass die Ergebnisse von Studien, welche systematisch geführt wurden und nur depressive Patienten inkludierten, im Vergleich zu anderen Studien, wo auch Patienten mit anderen Erkrankungen teilgenommen haben, einen geringeren, jedoch weiterhin signifikanten Effekt der Johanniskraut-Extrakt-Therapie, gegenüber Placebo, aufzeigten. Bei Studien, wo Patienten mit einer schweren depressiven Symptomatik teilgenommen haben, fanden sich nur geringe positive Effekte.

 

Zusätzlich soll erwähnt werden, dass Studien zur antidepressiven Wirkung von Johanniskraut, welche in deutschsprechenden Ländern durchgeführt worden sind, deutlich positivere Ergebnisse, im Vergleich zu den Ergebnissen von Studien aus anderen Ländern, lieferten. Die Ursachen für diesen „Länder“-Effekt, sind weiterhin unklar.

 

Abschließend soll auch darauf hingewiesen werden, dass es kaum Daten, über die Effizienz einer langfristigen Behandlung mit Johanniskraut-Extrakt-Präparaten, gibt. Bei den meisten Studien wurde die Behandlung mit Johanniskraut-Extrakt-Präparaten, nur für einen Zeitraum von 6 bis 12 Wochen, beobachtet.

 

Deswegen wird, in Betrachtung der aktuellen Datenlage, von der Anwendung von Johanniskraut-Extrakt-Präparaten, bei schweren oder chronischen Depressionen, abgeraten. Bei leichten, bis moderaten Depressionen, stellt die Behandlung mit einem Johanniskraut-Extrakt-Präparat, eine mögliche Therapie-Alternative, zu einer Behandlung mit einem synthetisch erzeugtem Arzneimittel, dar. Es soll jedoch darauf geachtet werden, dass nur qualitativ hochwertige Johanniskrautextrakte verwendet werden sollten.


Beim zweiten Teil dieses Berichts, berichte ich Ihnen über die möglichen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von Johanniskraut.


Quellen:

Baldinger-Melich P., Spies M., Lanzenberger R., Kasper S. Der Stellenwert der Phytomedizin. Clinicum neuropsy, Ausgabe 01/2018, S. 10-14.

Ganz C. Arzneipflanze des Jahres 2015: Johanniskraut (Hypericum perforatum). Schweiz Z Ganzheitsmed 2015;27:27–29.

( https://www.karger.com/Article/Pdf/371604 )

Linde K., Knüppel L.: Large-scale observational studies of hypericum extracts in patients with depressive disorders – a systematic review. Phytomedicine 2005;12:148–157.

Linde K., Berner MM., Kriston L.: St John’s wort for major depression. Cochrane Database Syst Rev 2008; 4:CD000448.

Linde K. St. John‘s Wort. An Overview. Forschende Komplementärmedizin 2009, 16:146–155

( https://www.karger.com/Article/Pdf/209290 )

WHO. Depression and other common mental disorders: Global Health Estimates. Geneva: World Health Organisation; 2017

( http://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/254610/WHO-MSD-MER-2017.2-eng.pdf;jsessionid=2116E890D15456BDACD72CACF4A6FA2B?sequence=1Depression and Other Common )

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