Die Wörter „Gelassenheit“ oder „innere Ruhe“, findet man sehr oft in Sachbüchern, bzw. in Ratgebern zu „gutem Leben“. Teilweise tauchen diese Wörter auch in Zeitungen und Magazinen auf. „Gelassenheit“ wird als ein Weg gezeigt, um dem Alltagstrubel und Arbeitsstress zu entkommen, oder sogar, als Schlüssel zur Glückseligkeit, präsentiert. Aber wie bei anderen Worten, scheint mir, dass dieses Wort nun inflationär verwendet wird. Ich habe den Eindruck, dass manche glauben, dass nur, da sie dieses Wort verwenden, es auch ausleben.
„Gelassenheit“ ist eine innere Haltung und jeder kann diese erreichen. Um diese erreichen zu können, muss man jedoch bereit sein, sich und das Leben, so wie es ist, zu akzeptieren. Dies heißt nicht, dass man keine Ziele verfolgen, oder dass man emotionslos, durch das Leben wandeln soll, sondern, dass man die Weisheit erlangt, voneinander zu unterscheiden, was man ändern und was man nicht ändern kann. Viele haben diese Erkenntnis bereits durch Hören oder Lesen der ersten Zeilen des Gelassenheitsgebetes („Serenity Prayer“), vernommen.
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Reinhold Niebuhr
Im Duden online wird „Gelassenheit“, als „gelassene Haltung“ beschrieben. Synonyme dafür sind u.a. folgende Wörter: Ausgeglichenheit, Beherrschung, Besonnenheit, Disziplin, Frieden, Gemütlichkeit, Selbstbeherrschung, Umsicht, Gleichmaß, Mäßigung, Contenance, Tranquilität oder einfach, Coolness. Auch Stoizismus ist ein Synonym für „Gelassenheit“. Die Stoa ist eine philosophische Lehre, welche ihren Anfang in Griechenland, bei der Stoa (Säulenhalle) des Marktplatzes (Agora) hat, denn auf dem dortigen Marktplatz, übte Zenon von Kliton, Gründer der stoischen Philosophie, seine Lehrtätigkeit aus. Grundsatz der Stoa war eine ganzheitliche Betrachtung der Welt und er glaubte, dass ein Mensch „seinen Platz in dieser Ordnung“ erst „erkennen und ausfüllen kann, indem er durch die Einübung emotionaler Selbstbeherrschung sein Los zu akzeptieren lernt und mit Hilfe von Gelassenheit und Seelenruhe nach Weisheit strebt“.
„Gelassenheit“ bedeutet nicht Glück, aber sie erlaubt, uns unbeirrt durch Abstraktionen, auf unsere Ziele und unser Lebenswerk zu konzentrieren. Sie kann zu einem inneren Frieden führen und eine mögliche Unruhe in uns zum Stillstand, zur Ruhe bringen. Gelassenheit verleiht uns die Freiheit von Ängsten, welche auf der Vergangenheit oder erdachten Zukunft beruhen. Somit können wir unsere Lebensziele konsequent verfolgen und unserem Lebenswerk nachgehen bzw. unser Lebenswerk bestellen. „Gelassenheit“ zu erlangen ist nicht leicht und in unserer lauten, komplexen, mit Abstraktionen gefüllten und ungewissen Welt, in der wir alle leben, ist es schwer sich auf sich zu konzentrieren, um unseren Platz in der Weltordnung definieren zu können.
Vielleicht hilft dem einen oder anderen „Gelassenheit“ zu erreichen, indem er an das Bild eines „coolen“ persönlichen Vorbildes denkt (egal ob es sich um eine weltberühmte Persönlichkeit, oder den Schuljungen, den man früher kannte, handelt). Erinnern Sie sich an das selbstbewusste Auftreten dieser Leute und besinnen Sie sich, woran dies lag. Es lag daran, dass diese „coolen“ Personen sich ihrer Rolle im Leben bewusst waren und sich von anderen, oder unabhängig von Ereignissen, sich in ihrem „Tun“, nicht verwirren ließen. Und vor allem, dass sie bei „heißen“ Situationen "Coolness" bewahrten.
Zum Thema „Gelassenheit“ fand ich im Buch: „Füttere den weißen Wolf – Weisheitsgeschichten, die glücklich machen“, von Schweppe und Long, folgende, ursprünglich aus China stammende, Geschichte, welche Ihnen auf meiner Art nacherzählen möchte.
In einem fernen, aber doch näher liegendem, als man denkt, Land, lebte einst ein Bauer. Er lebte mit seiner Familie in einer einfachen Hütte, auf einem kleinen Stück Land, welches er mit seinem einzigen Pferd pflügte. Eines Tages jedoch, lief beim Ausspannen, das Pferd dem Bauer davon und verschwand in einem nahe gelegenen Wald. Die Nachbarn des Bauern hörten von dem Ereignis und sagten: „Was für ein Unglück – der Arme! Er hat das einzige Pferd verloren!“. Wo immer sie dem Bauer begegneten, drückten sie ihm ihr Mitleid aus und versuchten ihn zu trösten. Der Bauer jedoch blieb gelassen, lächelte ihnen zu und sagte: „Glück, Unglück, wer weiß das schon?“.
Die Nachbarn fanden das Verhalten des Bauern merkwürdig und flüsterten sich hinter seinem Rücken zu: „Der Arme, er begreift gar nicht was dieser Verlust für ihn bedeutet. Vielleicht hat ihn sein Geist verlassen. Oder ist er doch so einfältig?“
Die Zeit verging und einige Monate später, kam eines Tages das entlaufene Pferd aus dem Wald zurück und an seiner Seite lief eine Gefährtin und ein Fohlen. Nun besaß der Bauer statt dem einen, gleich drei Pferde. Die Nachricht sprach sich schnell herum und bald wussten alle im Dorf darüber. „Was für ein Glück!“, sagten die Nachbarn und eilten zum Bauer, um ihm dazu zu beglückwünschen. Der Bauer jedoch blieb gelassen, lächelte ihnen, wie immer, zu, und entgegnete jeden Glückwunsch mit dem selben Satz: „Glück, Unglück, wer weiß das schon?“.
Die Nachbarn wunderten sich erneut darüber und manche wurden sogar über das Verhalten des Bauern zornig. „Der muss seinen Verstand verloren haben! Er kann sein eigenes Glück nicht erkennen! Was für eine Verschwendung des Glücks!“. Es dauerte einige Zeit, aber schließlich fand die Gemeinde schneller, als man glaubte, erneut ihren üblichen Rhythmus des Alltags wieder.
Das Fohlen wuchs schnell heran und bald kam die Zeit, dass es zugeritten werden musste. Der Sohn des Bauern, mittlerweile ein junger Mann und guter Reiter, nahm sich dieser Aufgabe an. Einmal jedoch, während des Zuritts, bockte das junge Pferd und der Bauernsohn stürzte und brach sich sein Bein. Der Knochen wuchs wieder zusammen, aber leider schief, sodass der Bauernsohn nicht mehr aufrecht gehen konnte und mit dem Bein hinkte. Alle, die ihn im Dorf sahen, hatten mit ihm und seinen Vater Mitleid. „Was für ein Unglück!“, sagten sie. „Der einzige Sohn und nun ein Krüppel! Wie wird es ihm möglich sein, seinem Vater beim beim bestellen des Feldes zu helfen? Der Bauer vernahm dies, blieb jedoch gelassen und sagte ihnen: „Glück, Unglück, wer weiß das schon?“.
Es war noch kein Monat seit dem Unglück her vergangen, als eines Tages Soldaten des Regenten, in das Dorf geritten kamen. Sie brachten Kundschaft vom Krieg und nahmen bei ihrer Weiterreise alle Erwachsenen im kampffähigen Alter, für den Krieg des Regenten mit. Der Sohn des Bauern sah ihnen nach, wie sie davon ritten. Er war nämlich, wegen seinem Bein, für untauglich befunden worden.
Die Alten des Dorfes murmelten nun unter sich: „So ein Glück! Sein Sohn kann nun hierbleiben und der Bauer muss sich nicht, wie wir anderen, um die mögliche Rückkehr seines Sohnes, bangen!“ Der Bauer entgegnete ihnen jedoch, wenn dies zur Sprache kam: „Glück Unglück, wer weiß das schon?“ und lächelte ihnen warmherzig zu.
Und die Zeit lief weiter fort, Kriege endeten und andere begannen. Das Leben ging aber weiter voll von Ereignissen, die für manche „Glück“ und für andere „Unglück“ brachten. Der Bauer aber blieb, so sagt man, bis zum Ende seiner Tage gelassen. Mancher behauptet sogar, dass seine letzten Worte, die er an seine Familie richtete, waren:
„Glück, Unglück, wer weiß das schon?“.
„Es gibt keinen zuverlässigeren Beweis von Geistesgröße, als wenn man sich durch nichts, was einem begegnen kann, in Aufruhr bringen lässt. In der oberen und mehr geordneten Region, in der Nähe der Gestirne, bilden sich weder Wolken, noch werden Stürme erregt oder Wirbelwinde; sie erfährt keinen Aufruhr, nur in den niedrigen Regionen blitzt es.“
Quellen:
Schweppe R. und Long A. (2016) Füttere den weißen Wolf – Weisheitsgeschichten, die glücklich machen. Daraus: Der Alte, der die Zukunft nicht kannte. Kösel Verlag, München.
„Gelassenheit“ bei Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Gelassenheit
Wikipedia Artikel zu Stoa: https://de.wikipedia.org/wiki/Stoa
Wikipedia Artikel zu Gelassenheit: https://de.wikipedia.org/wiki/Gelassenheit
Zitat von Epiktet: https://www.aphorismen.de/zitat/182661
Zitat von Niebuhr Reinhold: https://www.aphorismen.de/zitat/25799
Zitat von Seneca: http://www.quotissimo.com/de/zitate/begegnen-beweis-bringen-man-werden-seneca-4185/
Kommentar schreiben