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Vorurteile - Kann man frei von Vorurteilen werden?

Vorurteile. Viele verbinden sofort mit diesem Wort etwas negatives, obwohl Vorurteile auch eine positive Seite haben. Einige versuchen, wegen der negativen Assoziation mit dem Wort, sogar vorbildhaft „vorurteilsfrei“ zu werden und sie merken dabei gar nicht, dass sich dadurch wieder ihre Vorurteile bestätigen. Sir Peter Ustinov, schrieb ein Buch darüber und gründete sogar ein Institut zur Erforschung und Bekämpfung von Vorurteilen. Aber was sind Vorurteile, wie entstehen diese und kann man wirklich frei von diesen werden?


"Durch die Gasse der Vorurteile muss die Wahrheit ständig Spießruten laufen."

 

Indira Gandhi


Vorurteile: Definition

Vorurteile sind Urteile, welche wir einer anderen Person, einer Gruppe, einem Sachverhalt oder einer Situation, zuteilwerden lassen, ohne deren Gültigkeit und Berechtigung für die aktuelle Person, Gruppe, Sachverhalt, oder Situation, gründlich überprüft zu haben. Die Vorurteile beruhen somit auf Annahmen, welche wir bereits in unserem Gehirn gespeichert haben und diese dadurch schnell abrufen können.

 

Um die Bedeutung des Begriffes besser begreifen zu können, ist es, meiner Meinung nach, wichtig, auch das Wort Urteil, gemeinsam mit seinen Synonymen, zu betrachten. Laut Duden, werden u.a. folgende Wörter, als Synonyme für das Wort Urteil, genannt: Ansicht, Auffassung, Meinung, Standpunkt, Überzeugung, Warte, These, Hypothese.

 

Somit kann man behaupten, dass Vorurteile, Standpunkte / Meinungen / Annahmen / Hypothesen / Ansichten / Überzeugungen sind, welche wir einer Person / einer Gruppe / einem Sachverhalt / einer Situation zuteilen, ohne diese bewusst für die konkrete Person / Gruppe / Sachverhalt / Situation, überprüft zu haben. Somit ist es klar, dass Vorurteile uns die Möglichkeit geben, schnell auf eine neue Person / Gruppe / Sachverhalt / Situation, zu reagieren, da diese uns den Umgang mit dem Unbekannten immens vereinfachen. Die schnelle Erfassung erlaubt unserem Organismus / unserer Person somit, eine rasche Adaptierung, welche wiederum einen Vorteil, für uns selber aber auch gegenüber anderen, bedeuten könnte.

 

Andererseits führen Vorurteile zu Fehl-Einschätzungen. Bei den Vorurteilen machen wir Gebrauch von Stereotypen. Dies sind, laut Duden, vereinfachende, verallgemeinernde, (ungerechtfertigte) Urteile, über sich, oder andere, oder eine Sache. 


Vorurteile: Entstehung, Umgang damit

Wichtig zu erkennen ist, wie Werth und Mayer in ihrem Buch: „Sozialpsychologie“ schreiben, dass Annahmen und Stereotype, die Basis von Vorurteilen sind. Laut den Autoren, kommen erst durch die Akzeptanz des Stereotyps, nämlich die positive oder negative Empfindung gegenüber Personen, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Fremdgruppe, Vorurteile zustande.

 

Vorurteile können auch zu innere Konflikte führen, wie z.B. beim nicht akzeptieren wollen, dass man selber psychisch krank sei. Viele psychiatrische Patienten haben Schwierigkeiten sich auf eine Therapie ihrer psychischen Erkrankung einzulassen, aufgrund ihrer Vorurteile darüber (wie z.B. psychische Erkrankung ist das Resultat von Charakter-Schwäche, oder dass jeder fähig ist, alleine und ohne Hilfe, aus der Depression herauszukommen).

 

Daniel Kahneman beschreibt in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“, zwei Arten, wie unser Gehirn denkt. Das eine System wird als schnell, automatisch, emotional, stereotypisierend und als unbewusst ablaufend, während das andere System als langsam, anstrengend, logisch, berechnend und als bewusst ablaufend, beschrieben wird. Das schnelle Denken erlaubt uns, dass wir rasch Situationen einschätzen und dadurch rasch auf wechselnde Bedingungen reagieren. Andererseits führt es auch dazu, dass wir Fehleinschätzungen machen, da wir die Situation nicht logisch überprüft haben.

 


"Ein Urteil lässt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil."

 

Marie von Ebner-Eschenbach


Diese Erkenntnis wird auch oft bei der Werbung benutzt. Denken Sie an die letzten Werbespots, welche Sie im Fernsehen, oder im Kino gesehen haben. Überprüfen Sie, ob Sie durch die Werbung, mehr Fakten über das Produkt erfahren haben, oder ob es bei der Werbeeinschaltung, eher nur um die Erzeugung von Emotionen und um eine emotionale Bindung mit dem Produkt, gegangen ist.

 

Vorurteile, sind Teil unseres „schnellem Denkens“, da diese sich Stereotype, zur Beurteilung einer anderen Person /Gruppe / Situation / Sachverhalt, bedienen. Da unser Gehirn sich ständig „vorgefassten“ Urteilen als Basis seines Denkens bedient, ist auch ein komplettes Verbannen dieser Vorurteile, aus unserem Denken unmöglich. Niemand ist frei von Vorurteilen.

 

Wir erzeugen Vorurteile, da wir eine Tendenz zur Kategorisierung unserer sozialen Umwelt haben (z.B. gut, böse; wichtig, unwichtig; stark, schwach) und unser Gehirn, durch Anwendung von übergeordnetem Wissen, die Informationsverarbeitung zu vereinfachen versucht. Unser Gehirn reagiert so, da es gelernt hat, dass für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit unseres Organismus, also die Erhaltung unserer Lebensfähigkeit, eine Bewältigung der Informationsüberflutung notwendig ist. Dies schafft unser Gehirn durch eine rasch durchgeführte Kategorisierung der vorhandenen Informationen, u.a. eine Trennung der Informationen, in solche, die relevant sind und solche, die nicht relevant sind.

 

Wenn Vorurteile zu unserem Denken und Handeln, als selbstverständlich gehören, können wir diesen entgegenwirken? Ja, denn, wenn man sich seiner Vorurteile bewusst ist, kann man die Anwendung dieser in seinem Verhalten kontrollieren. Dadurch kann man sein mögliches „Fehlverhalten“ korrigieren und Diskriminierung oder Bevorzugung, vermeiden.


Vorurteile & Witze

Vielen ist nicht bewusst, dass eigentlich Witze nur deswegen funktionieren, da sich diese unseren „Vorurteilen“ bedienen. Witze stellen fiktive Erzählungen dar, welche so strukturiert sind, dass sie mit einem unerwarteten Ausgang, die sogenannte Pointe, uns überraschen und uns damit zum Lachen bringen. Damit diese Überraschung gelingt, muss die Geschichte, entgegen unseren Annahmen, ablaufen.

 

Einer meiner Lieblingswitze ist folgender:

„Ein Autofahrer hört aus dem Radio: „Vorsicht! Ein Geisterfahrer auf der A7!“. Sagt der Fahrer: „Was? Einer? Hundert!“

 

Der Witz funktioniert deswegen, da wir annehmen, dass der Autofahrer, entsprechend der Straßenverkehrsordnung fährt und wir dadurch ein falsches Verhalten des Autofahrers, anfänglich ausschließen. Erst bei der genauen Nennung der Anzahl der Geisterfahrer, aus der Sicht des Fahrers, wird für uns unmissverständlich klar, dass der genannte Fahrer, eigentlich der Geisterfahrer selber ist.


"Prinzipien sind ein anderes Wort für Vorurteile." 

 

Mark Twain


Als Abschluss dieses Blogs und als ein weiteres Beispiel, dass Witze nur funktionieren, da diese sich unseren Vorurteilen / vorgefassten Annahmen bedienen, möchte ich Ihnen eine Geschichte, welche ich in dem Buch von Jorge Bucay, „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“, gelesen habe, nacherzählen.

Die Geschichte der tauben Ehefrau

Ein Mann ruft einen befreundeten Allgemeinmediziner an. Der Allgemeinmediziner antwortet: „Lange nichts von Dir gehört, Julian. Wie geht es Dir?“

Der Mann erwidert: „Gut, danke für die Nachfrage, Markus. Aber ich mache mir Sorgen um meine Gattin, die Sabine.“

 

„Wieso denn? Was ist los? Erzähl.“

„Ich fürchte sie wird taub.“

„Was? Wie das denn? Gut, komm mit ihr bei meiner Ordination nächste Woche vorbei und ich schaue was ich für sie tun kann.“

„Glaubst Du, dass wir bis nächste Woche warten sollen? Ich fürchte, dass es von Tag zu Tag schlimmer wird.“

 

„Gut, ich werde schauen, was ich tun kann, aber sag, woran ist es dir aufgefallen, dass sie taub wird?“

„Na ja...sie antwortet nicht, wenn ich sie rufe.“

„Gut, dass kann verschiedene Ursachen haben. Weißt du was? Warum versuchen wir nicht einmal jetzt zu testen, wie schwerhörig Sabine ist?“

„Wie sollen wir das machen?“

 

„Wo befindest Du Dich in eurer Wohnung?“

„Im Wohnzimmer.“

„Und wo ist Sabine jetzt?“

„In der Küche.“

„Gut, wenn ich mich korrekt erinnere, das sind etwa 8 Meter. Ruf sie doch zu Dir!“

„Sabine!“, ruft der Mann. „ Sie kommt nicht. Siehst Du? Sie hört mich einfach nicht.“

„Du rufst mich, wie ich merke, von Deinem Mobiltelefon an. Gut, dann probieren wir einmal folgendes. Gehe nun bis zur Wohnzimmertür und ruf sie noch einmal!“

Der Mann tut dies. „Sabine!“.

 

„Sie kommt nicht. Sie hört mich einfach nicht“, sagt der Mann zu seinem befreundeten Mediziner am Telefon.

„O.k. Gehe in das Vorzimmer und ruf sie noch einmal.“

 

Gesagt, getan. Der Mann stellt sich in das Vorzimmer und ruft seine Gattin wieder: „Sabine!“.

„Nein, sie kommt nicht. Ich sehe sie in der Küche, wie sie gerade was abspült, aber sie reagiert nicht. Es ist aussichtslos.“

„Nicht verzweifeln“, versucht der Mediziner seinen Freund zu ermutigen. „Geh näher ran und ruf sie wieder!“

 

Der Mann geht in die Küche, legt den Arm auf die Schulter von Sabine und schreit ihr ins Ohr: “Sabine!“.

 

Die Frau dreht sich daraufhin wütend um und schreit ihn an:

„Was willst Du? Was willst Du? WAS WILLST DU? Du hast mich mindestens viermal gerufen, viermal habe ich Dir geantwortet und Dich gefragt, was Du möchtest. Du wirst von Tag zu Tag immer tauber. Ich glaube es ist Zeit, dass Du zu einem Arzt gehst!“.


Quellen:

Bucay Jorge. Komm, ich erzähle dir eine Geschichte (1999) Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 3.Auflage, 2008

Duden online – Urteil: https://www.duden.de/rechtschreibung/Urteil

Duden online - Vorurteil: https://www.duden.de/rechtschreibung/Vorurteil

Kahneman Daniel. Schnelles Denken, langsames Denken (2011) Verlagsgruppe Random House, GmbH, 24. Auflage, 2014.

Weik Sarah. Warum wir Vorurteile nicht loswerden können. Gelesen am 04.08.2018 in der Internet Präsenz von Welt: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article4182227/Warum-wir-Vorurteile-nicht-loswerden-koennen.html#

Werth L. und Mayer S. Sozialpsychologie (2008). Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, 2008.

Zeug Kathrin. Der Fluch der Vorurteile (2013). Gelesen am 04.08.2018 in der Internet Präsenz von Zeit Online :

https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/03/psychologie-vorurteile-verhalten

Zitate:

Marie von Ebner-Eschenbach:http://zitate.net/zitat?id=3152

Albert Einstein: http://zitate.net/zitat?id=812 ; http://zitate.net/zitat?id=331

Indira Gandhi: http://zitate.net/zitat?id=4049

Immanuel Kant:https://www.aphorismen.de/zitat/183915

Mark Twain: https://www.gutzitiert.de/zitat_autor_mark_twain_thema_prinzipien_zitat_30246.html

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Silvia Schinier (Mittwoch, 05 Dezember 2018 14:18)

    ich bin ein Fan von Marie von Ebner-Eschenbach toller Ausspruch ! Ja und die Geschichte von der tauben Frau ist grandios.