Was versteht man unter Angst?
Angst ist ein normales Gefühl, das jeder Mensch mehrmals im Verlauf seines Lebens erlebt. Angst kommt bei Menschen aller Kulturen vor und ist in ihrer Form als Furcht im Gesichtsausdruck eines Menschen, unabhängig seiner jeweiligen Kultur, zu erkennen.
Angst kommt vom lateinischen „angor“ her, welches mit Beklemmung, Angst oder Unruhe, übersetzt wird. Im mittelhochdeutschen Sprachgebrauch wurde mit dem Wort „angest“, bzw. im althochdeutschen Sprachgebrauch mit dem Wort „angust“, ein „Enge“-Gefühl beschrieben. Laut aktueller Definition vom Duden Online, versteht man unter Angst einen „mit Beklemmung, Bedrückung, Erregung“, einhergehenden Gefühlszustand (angesichts einer Gefahr), bzw. ein undeutliches Gefühl des Bedrohtseins.
Wie Rufer et al., in ihrem Buch „Stärker als die Angst“ schreiben, ist Angst ein natürliches und biologisch in unserem Organismus festgelegtes Gefühl. Angst, obwohl sie meistens als unangenehm erlebt wird, ist grundsätzlich für den Körper nicht gefährlich. Sie kann sogar eine wichtige Schutzreaktion darstellen und damit zu einer angemessenen Reaktion auf eine gefährliche Situation führen. So wäre zum Beispiel die Flucht vor einem Feuerausbruch eine angemessene Reaktion, welche auch zur Erhaltung des eigenen Lebens beiträgt. Problematisch wird es jedoch, wenn Angst, vor allem in einer erhöhten Intensität und Dauer, bei einem für den objektiven Betrachter, nicht nachvollziehbaren Kontext, vorkommt. In dieser Form kann Angst zu einer Einschränkung der Lebensqualität des Betroffenen führen. Diese pathologische Angst wird, in ihren unterschiedlichen Formen, in der Psychiatrie unter „Angststörungen“, näher beschrieben und definiert.
Wie äußert sich Angst?
Obwohl Angst ubiquitär vorkommt, ist sie eine komplexe Emotion, welche sich in unterschiedlichen Formen bei den Menschen äußert. Somit können mannigfaltige physische und psychische Symptome Ausdruck von Angst sein. Oft kann es sein, dass dem Betroffenen selbst nicht bewusst ist, dass unangenehme Körperempfindungen auch ein Ausdruck ihrer Angst sein können.
Aber um welche Symptome handelt es sich eigentlich?
In dem Konsensus Statement „Angststörungen – Medikamentöse Therapien“ der österreichischen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (ÖGPB), werden die psychopathologischen Zeichen der Angst, wie folgt, aufgelistet:
Stimmung: Einengung, Unsicherheit, Beunruhigung, Ausgesetzt-Sein, In-die-Enge-getrieben-Sein, Atem-benommen-Sein, Abgewürgt-Sein, Furcht, Sorge um die Gesundheit, Lebensangst etc.
Antrieb: Spannung, Unruhe, Erregung, Panik, Erstarren.
Bewusstsein: Einschränkung der Besonnenheit, der Übersicht, des Denkens, etc.
Leibsymptomatik: Kopfdruck, Herzklopfen, zugeschnürter Hals, Halsschmerzen, Zittern, Schwindel, Atemstörungen, Impotenz, Frigidität.
Vegetativum: Sympathikuserregung: weite Pupillen, Puls- und Blutdruckanstieg, Mundtrockenheit, Schwitzen, erhöhter Muskeltonus; Parasympathikuserregung: Übelkeit, Erbrechen, Harndrang, Durchfall.
Angst ist für das Überleben unverzichtbar.
Hannah Arendt
Aus verhaltenstherapeutischer Sicht aus, erlebt man die Angst auf folgenden vier unterschiedlichen Ebenen: physiologische Ebene (körperliche Symptome), kognitive Ebene (gedanklich), emotionale Ebene, Verhaltens-Ebene. Diese Anteile müssen nicht immer gleichzeitig auftreten und sind individuell unterschiedlich ausgeprägt. Diese vier Anteile stehen jedoch in einem Wechselwirkungs-Verhältnis zu einander. Dies bedeutet, dass sie sich einander beeinflussen können. Somit könnte man mit einer Änderung des Verhaltens, oder einer Änderung des gedanklichen Anteiles, zu einer Reduktion der Angst beitragen.
Welche Symptome bzw. Gedanken, Gefühle oder Verhaltensweisen würde man darunter verstehen?
Die folgende Auflistung von Beispielen, wobei die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zum Erleben der vier Anteilen von Angst, beruht auf dem Buch von Rufer et al., „Stärker als die Angst“:
Physiologisch (Körperliche Symptome):
Herzrassen, Schwitzen, Zittern, beschleunigte Atmung, Engegefühl in der Brust, Kloß im Hals, kalte Hände oder Füße, innere Unruhe und Nervosität, Schwindelgefühle, Übelkeit, verschwommenes Sehen, Erröten, Stottern.
Gedanken (Kognitive Ebene):
Ich muss hier raus!; Gleich kippe ich um!; Ich werde sterben!; Keiner wird mir helfen!; Ich verliere die Kontrolle!; Peinlich, was werden die anderen Leuten von mir denken!; Ich werde rot oder ich fange an zu zittern!; Die Angst hört nie wieder auf!; Ich schaffe das nicht!; Ich habe Angst zu versagen!
Gefühle (Emotionale Ebene):
Ich fühle mich: ängstlich, panisch, hilflos, alleine gelassen, einsam, unsicher, traurig, deprimiert, verzweifelt, benommen, frustriert, wertlos, kraftlos; Ich schäme mich; Ich empfinde Peinlichkeit.
Verhalten:
Flucht aus der Situation; Vermeidung der Situation; Ablenkung durch lesen von Zeitung oder gedanklich aus der Situation „herausgehen“ (z.B. „nur noch zwei Stationen, dann bin ich hier raus…“); Ablehnung von Einladungen oder anderen Freizeitaktivitäten (sozialer Rückzug); in Kauf nehmen von Umwegen.
In einer Verhaltenstherapie wird versucht, dysfunktionale Angstgedanken bzw. Verhaltensmuster, zu identifizieren und diese im positiven Sinne umzustrukturieren.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass Angst ein ubiquitär vorkommendes komplexes Gefühl ist, welches von vornherein keine pathologische Wertigkeit besitzt. Die Symptome, welche mit dem Gefühl der Angst verbunden sind, sind viele und unterscheiden sich individuell von Person zu Person. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht aus, besteht eine Wechselwirkung zwischen physiologischen, kognitiven und emotionalen Anteilen der Angst mit unserem Verhalten. Diese Wechselwirkung wird im Rahmen einer Verhaltenstherapie, bei pathologischen Formen der Angst, zur Reduktion der Angst, zur Nutze zunutze gemacht.
Eine Erklärung, was in unserem Körper bei einer Angst-Reaktion passiert, können Sie in folgendem Blog-Beitrag lesen: "Biologie der Angst".
Quellen:
Duden – Online, Angst, https://www.duden.de/rechtschreibung/Angst, abgerufen zuletzt am 28.12.2017.
Ekman P., Sorenson E.R., Friesen W.V. (1969) Pan-Cultural Elements in Facial Displays of Emotion. Science, Vol. 164, Seiten 86-88.
Kasper et al. (2009) Angststörungen – Medikamentöse Therapie. Konsensus Statement – State of the art 2009. CliniCum neuropsy, Sonderausgabe September 2009
Rufer M., Alsleben H., Weiss A. (2004) Stärker als die Angst. 1. Auflage 2014, Verlag: Urban&Fischer Verlag, Elsevier GmbH, München.
Das Zitat von Hannah Arendt habe ich auf folgendem Link zitiert gefunden:
http://www.ich-habe-auch-angst.de/101-zitate-und-sprueche-ueber-angst-und-mut/
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